Mit strategischem Blick auf den dynamischsten Wirtschaftsraum weltweit: Das GIDS sowie der Lehrgang Generalstabs-/ Admiralstabsdienst International (LGAI) und ALEX!, das Alumninetzwerk der Führungsakademie der Bundeswehr, haben unlängst die Konferenz „Security Aspects on the Indo-Pacific Region“ ausgerichtet. In Plenarsitzungen und Workshops tauschten sich Offiziere und Wissenschaftler zur Lage in der Region aus.
Um über sicherheitspolitische Themen der Gegenwart und der Zukunft zu diskutieren, sei Hamburg mit seiner langen Handelstradition ein idealer Ort, sagte Generalmajor Oliver Kohl. Der Kommandeur der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg begrüßte im akademieeigenen Manfred-Wörner-Zentrum rund 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, darunter Militärattachés, Diplomaten und hochrangige Stabsoffiziere aus Asien und Australien. Professor Dr. Stefan Bayer hob hervor, dass wissenschaftliche Konferenzen ein wichtiger Bestandteil des GIDS seien. Als Forschungsleiter dieses Instituts freue er sich über den Diskurs und dessen Verknüpfung von akademischer und militärischer Expertise.
Lehren aus dem Krieg in der Ukraine
Mit der im Februar 2022 proklamierten „Freundschaft ohne Grenzen“ zwischen Russland und China sei ein neues Zeitalter eingetreten, erklärte Dr. Sarah Kirchberger in ihrem Einführungsvortrag. Die Kieler Sinologin und Strategieexpertin stellte zudem die Frage, ob Chinas Machtambitionen eine Herausforderung sowohl für den transatlantischen wie auch für den indo-pazifischen Raum darstellen. Hierbei sei zu prüfen, ob die Androhung von militärischer Gewalt auch die Fähigkeit zur Gewaltausübung umfasse. Um im indo-pazifischen Raum militärisch wirken zu können, bedürfe es wirksamer amphibischer und maritimer Ressourcen. In ihrer Analyse ging sie zunächst auf die Intensivierung der russisch-chinesischen Militärkooperation seit 2013 ein und beleuchtete auch die unterschiedlichen Phasen der chinesischen Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine: von der scharfen Zurückweisung US-amerikanischer Warnungen vor einem möglichen russischen Angriff im Vorfeld der Invasion bis hin zur aktuellen Linie Pekings, sich aus einer möglichen russischen Niederlage komplett herauszuhalten, um das eigene Gesicht zu wahren.
China schaue derzeit genau auf die Lage in der Ukraine, sagte Dr. Kirchberger. Die Volksrepublik studiere taktische Fehlschläge des russischen Militärs sowie Erfolge der ukrainischen Verteidiger gegenüber einer deutlich größeren militärischen Macht. Daraus ziehe Peking Lehren für die eigene strategischen Bemühungen im Indo-Pazifik. Im Anschluss analysierte Dr. Kirchberger Aussagen chinesischer Wissenschaftler zur Taiwan-Frage, die im Kontext der russischen Krim-Annexion postuliert wurden. Eine Feststellung laute: Da China – außer im südchinesischen Meer – keinen direkten Zugang zum pazifischen Tiefseewasser habe, sei es gegenüber Japan und den USA in Bezug auf U-Boot-Operationen strategisch im Nachteil. Ohne Taiwan, so die Auffassung chinesischer Wissenschaftler, könne die Volksrepublik nicht zur Hochseemacht werden. Die USA, die als Status-Quo-Macht im Pazifik operierten, garantierten derzeit Taiwans Sicherheit – obwohl die US-Amerikaner derzeit nicht so viele Schiffe wie die Chinesen in den Pazifik entsenden könnten, erklärte Dr. Kirchberger.
Warnung vor militärischer Eskalation
In der ersten Plenarsitzung ging es um die strategischen Interessen und Kooperationen im Indo-Pazifik. In seinem Impulsreferat machte Oberst Pham Ngoc Thanh aus Vietnam die Auswirkungen der US-amerikanischen und der chinesischen Außenpolitik auf sein Land deutlich und forderte dazu auf, sich für ein gemeinsames Vorgehen im Indo-Pazifik und für vielfältige Militärkooperationen starkzumachen. Wie Japan den Indo-Pazifik sieht, erläuterte Oberst i.G. Naotomo Yamazoe anhand von Kartenmaterial, das den Pazifik geografisch ins Zentrum rückt. Zudem warnte der japanische Verteidigungsattaché vor einer militärischen Eskalation im südchinesischen Meer: Pekings Manöver vor Taiwan und dem japanischen Hoheitsgebiet, auch gemeinsam mit Russland, führten zur Aufrüstung in der Region.
Einen anderen Weg als Japan, das auf seinen US-amerikanischen Verbündeten baut, verfolgt Indien: So ist Brigadegeneral Subrahmaniam Sanjay der Überzeugung, dass Allianzen nicht die Lösung brächten; vielmehr sollten asiatische Probleme in der Region selbst gelöst werden. Hierzu seien bilaterale Absprechen und Kooperationen zwischen den indo-pazifischen Staaten notwendig. Sanjay lud die Anrainerstaaten ein, ihr Engagement in der Region entsprechend zu erhöhen. Der indische Verteidigungsattaché erklärte, dass besonders die afrikanische Küste, aufgrund ihrer räumlichen Nähe zum Indischen Ozean, derzeit im Fokus der indischen Marine stehe. Am Tor zum indo-pazifischen Raum werde Neu-Delhi seine sicherheitspolitischen Interessen wahren und führe dort verstärkt Manöver durch, auch in Kooperation mit anderen Ländern.
Kein Wohlstand ohne Sicherheit
Obwohl Europa weit entfernt vom Indo-Pazifik ist, könne Deutschland diplomatisch, wirtschaftlich und nachrichtendienstlich Einfluss nehmen, sagte Oberst Benjamin Poxon im zweiten Panel. Außerdem sprach sich der australische Luftwaffenoffizier für die Verteidigung des internationalen Rechts aus: „Alle Länder in der Region sind dafür verantwortlich, dass wir uns an die internationalen Spielregeln halten, die uns die Vereinten Nationen vorgeben.“ Das Durchsetzen der eigenen Interessen auf militärischem Wege laufe diesem Recht zuwider, betonte Poxon und ergänzte: „Fruchtbare Partnerschaften können nur auf Augenhöhe erfolgreich sein.“ Brigadegeneral Qasim Shazzad aus Pakistan hob hervor, dass die Militarisierung von kleinen Inseln im Indo-Pazifik die Sicherheit aller Staaten in der Region gefährde. Eine weitere Militarisierung oder eine militärische Auseinandersetzung im südchinesischen Meer wirke sich auf den gesamten indo-pazifischen Raum gravierend aus, so der Verteidigungsattaché.
Oberst i.G. Chee Mun Chew, Verteidigungsattaché aus Singapur, pflichtete seinem pakistanischen Kameraden bei. Man könne die Weltökonomie nur stärken, wenn die Staaten zusammenarbeiten: „Wohlstand ohne Sicherheit ist undenkbar. Krieg ist jedenfalls für alle Seiten schlecht.“ Annett Bäßler, die in ihrer Funktion als stellvertretende Referatsleiterin im Auswärtigen Amt an der GIDS-LGAI-Konferenz teilnahm, erklärte, dass sich Deutschland nicht nur sicherheitspolitisch in der Region engagiere, sondern sich auch für Projekte gegen den Klimawandel stark mache: Besonders die zunehmende Erderwärmung und der steigende Meeresspiegel bedrohten kleinere Staaten im Indo-Pazifik. Da man gegenwärtig auf Sicht in unruhigen Gewässern fahre, sollten die Staaten ihre wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit erhöhen. Nur so sei man effektiv vor einer möglichen ökonomischen Krise infolge eines militärischen Konflikts in der Region geschützt.
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Autor: Hauptgefreiter Christian Müller
Fotos: Royal Navy / S. P. Roster; Bundeswehr / Christian Gelhausen