Spätestens seit Februar 2022, als Bundeskanzler Olaf Scholz vor dem Deutschen Bundestag seine Rede zur Zeitenwende hielt, steht das Thema Sicherheitspolitik wieder im öffentlichen Fokus. Aus Sicht von Johannes Arlt, Bundestagsabgeordneter und Berufsoffizier, bleibt dennoch viel zu tun. Die Zeitenwende sei schließlich eine Frage des Mindsets. „Und längst nicht alle sind dort angekommen, wo wir hinmüssen. Auch nicht im Parlament“, sagte Arlt als Impulsgeber der #GIDSdebate special im April.

GIDSdebate special mit MdB Johannes Arlt

Der 38-jährige Politiker, Mitglied des Verteidigungs- und des Wirtschaftsausschusses, hatte noch am Nachmittag mit Vertretern der maritimen Wirtschaft gesprochen. Am Abend ging er bei der #GIDSdebate in der Führungsakademie der Bundeswehr auf strategische Aspekte einer künftigen Landes- und Bündnisverteidigung ein. Mit Blick auf die Auswirkungen der Zeitenwende stellte Johannes Arlt fest: „Transformationen vollziehen sich im politischen Betrieb nur sehr langsam. Nun aber bewegt sich etwas. Wir sprechen wieder mehr über Sicherheitsvorsorge in Deutschland.“ Vorbild könne das Gesamtverteidigungsmodell in Schweden sein, sagte der Absolvent der Generalstabsausbildung an der Swedish Defence University. Zugleich sprach er sich dafür aus, in Deutschland ein behördenübergreifendes Kompetenzcluster Zivilverteidigung aufzubauen und mehr in den Zivilschutz zu investieren.

Im Zusammenhang mit dem Umfang der Bundeswehr erklärte Johannes Arlt: „Ich bin ein Verfechter der Dienstpflicht.“ Der akute Personalmangel wie auch der demografische Wandel stellten das Modell der Freiwilligenarmee zunehmend infrage. Darüber hinaus könne ein solcher Dienst für die Allgemeinheit ganz erheblich dazu beitragen, „dass wir verstehen, wofür wir einstehen.“ Bei Schülerbesuchen im Bundestag erlebe er viel Zustimmung zur Dienstpflicht. Unter den jungen Leuten sei die Bereitschaft hoch, Werte wie Demokratie und Freiheit zu vertreten, betonte der Abgeordnete mit Direktmandat des flächenmäßig größten Wahlkreises, Mecklenburgische Seenplatte II – Landkreis Rostock III.

Ein ambivalentes Verhältnis zu sicherheitspolitischen Themen nimmt Johannes Arlt unter anderem bei Gesprächen mit Lokalpolitikern wahr. Solle die Zeitenwende gelingen, so der Luftwaffenoffizier mit sieben Auslandseinsätzen, müsse sich die Einstellung von Teilen der Gesellschaft weiter ändern. Die Herausforderungen seien immens, die Zeit dränge. Zumal die Bundeswehr aufgrund der Waffenlieferungen an die Ukraine heute schwächer dastehe als vor einem Jahr. Johannes Arlts Folgerung: „Wir können eigentlich nur noch liefern, wenn sich das Material nach spätestens zwei Jahren ersetzen lässt.“ Bei der Beschaffung selbst müsse nun gelten: „Schnell und mutig vor langsam und gründlich.“ Das Sondervermögen für die Bundeswehr sei eine große und dringend notwendige Hilfe, immerhin „wurden in den vergangenen Jahren 400 Milliarden Euro zu wenig investiert.“ Auch um Kosten zu sparen, seien Beschaffungen auf europäischer Ebene, und damit von transnational einheitlichen Systemen, auszubauen.

Moderiert von Professor Dr. Stefan Bayer, Forschungsleiter des GIDS, folgte eine Diskussion mit den Teilnehmern der #GIDSdebate special. Eine Forderung aus dem Plenum, das sich auf den Gneisenau-Saal im Manfred-Wörner-Zentrum und den virtuellen Raum verteilte: mehr Flexibilität bei der Personalgewinnung und -entwicklung. So wie bisher könne man weder den geplanten Personalumfang erreichen, noch eine ausreichende Reserve aufbauen. Ob nicht neue Wege bei der Auswahl künftiger Führungskräfte notwendig sind, fragte Professor Dr. Burkhard Meißner, Vorstand des GIDS. Nach seiner Bewertung haben sich die derzeitigen Eliten der Bundeswehr beim Abbau der Streitkräfte bewährt; jetzt aber gehe es um den Um- und Ausbau. Dem stimmte Johannes Arlt zu. Sein Fazit: Das Personalwesen sei zu starr; um Prozesse zu beschleunigen, bedürften die Strukturen, auch im Verteidigungsministerium, einer Verschlankung und Öffnung. „Außerdem brauchen wir neue Führungspersönlichkeiten – die auch an der Führungsakademie der Bundeswehr ausgebildet werden.“ Dazu trage das GIDS seinen Teil bei, etwa durch das Mitwirken am berufsbegleitenden Masterstudiengang „Militärische Führung und Internationale Sicherheit“.

Text: Mario Assmann und Christian Müller I Fotos: Bundeswehr / Christian Gelhausen