Lehrgang der Führungsakademie diskutiert mit Tobias Kollakowski über Chinas Initiative
Chinas Seidenstraßeninitiative beinhaltet gewaltige Investitionen in transnationale Infrastrukturen. Welche wirtschaftspolitischen Chancen und Risiken daraus resultieren, wie Anrainer des Indo-Pazifiks darauf reagieren – damit haben sich jetzt an der Führungsakademie der Bundeswehr knapp 70 Stabsoffiziere aus mehr als 30 Ländern befasst. Der Lehrgang Generalstabs-/ Admiralstabsdienst International (LGAI) hörte Vorträge von seinen Kameraden aus Indonesien, Singapur und Vietnam, verfolgte die einleitende Analyse von Kapitänleutnant Tobias Kollakowski vom GIDS und erörterte mögliche Schlussfolgerungen. Unter den Gästen der Veranstaltung in Hamburg: der indonesische Botschafter, Arif Havas Oegroseno.
Mit der Seidenstraßeninitiative setzte sich der Lehrgang in Form eines Regionalen Informationstages, kurz RIT, auseinander. Die Veranstaltungsreihe des LGAI vertieft Wissen über Staaten, Menschen und Kulturen. So sind Vorträge, in denen Lehrgangsteilnehmer ihre Heimat und deren Haltung zu aktuellen Fragen vorstellen, fester Bestandteil der jährlich rund ein Dutzend RITs. Eine wissenschaftliche Sicht vermittelte diesmal Kapitänleutnant Kollakowski, durch sein Studium in Peking und Tokio sowie seine Promotion am King‘s College London sicherheitspolitisch mit dem Indo-Pazifik vertraut. Ins Zentrum seiner Überlegungen rückte der Marineoffizier, wie sich die Seidenstraßeninitiative, die Belt and Road Initiative (BRI), auf den Seehandel auswirkt.
Die Initiative hat wirtschaftspolitische Implikationen für den Indo-Pazifik, Europa und Afrika. Mehr als 150 Staaten haben bereits Abkommen im Rahmen der BRI geschlossen. Die Zahl lasse erkennen, führte Kollakowski aus, wie stark China in sein geowirtschaftliches und geopolitisches Umfeld eingreift. Und nicht zuletzt diesen Aspekt habe Staatschef Xi Jinping 2017 herausgestellt, als er auf dem Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas seine Ambitionen zur Reform der internationalen Ordnung bekräftigte. Besonders deutlich werde der politische BRI-Ansatz beim Seehandel, über den mehr als 90 Prozent des interkontinentalen Warenverkehrs fließen. So ziele Peking langfristig auch darauf ab, die Handelswege umzulenken. Zudem habe China den Vor- und Nachlauf des Seehandels im Blick. Daraus resultierten Investitionen in Hafeninfrastrukturen wie in Pakistan, Griechenland, Deutschland und Staaten Afrikas.
„Den Drachen umarmen, den Adler bewahren“: Mit diesem Motiv veranschaulichte Major Ilham die Haltung seiner Heimat Indonesien. Für die Industrienation mit rund 270 Millionen Einwohnern auf 17.000 Inseln ist der Seehandel lebenswichtig. Zwischen Indischem Ozean und Pazifik gelegen, nehme das Land eine Brückenfunktion wahr – und dies bedinge eine unabhängige Politik ohne Blockbindung, sagte der Stabsoffizier. Indonesien unterstütze die BRI, wenngleich die Bevölkerung den chinesischen Einfluss in der Region skeptisch beurteile und illegaler Fischfang verurteilt werde. Major Ilhams Fazit: Indonesien habe ein strategisches Interesse, das Meer für den Güterverkehr freizuhalten. Hierfür biete die BRI viele Chancen.
Vietnams Verhältnis „zum großen Nachbarn“ beleuchtete Major Van Binh Nguyen. Die Ausgangslage: Seit 1975 wachse die vietnamesische Wirtschaft stetig, wobei der Seehandel die stärkste Säule bilde. Demnach laufen 90 Prozent des Warenhandels durch die Seehäfen des Landes. Politik Vietnams sei es, im Rahmen der BRI seine Kooperationen mit China zu stärken, obwohl Peking vietnamesische Inseln annektiert und Fischereiverbote an den Grenzen zu Vietnam verhängt habe. Darüber hinaus bestünden Befürchtungen im Hinblick auf geopolitischen Risiken durch und Verschuldungen gegenüber China. Zwar unterstütze Vietnam die BRI grundsätzlich, doch sei es unter den Teilnehmerländern das einzige, das noch kein konkretes Projekt mit China verfolge.
„Herzblut“ für Singapur ist, neben der Bedeutung als weitestgehend korruptionsfreier Finanzstandort, die Sicherung des freien Seehandels. Aus Sicht von Major Zhi Yoong Khiew zielt die Politik seines Landes darauf ab, dass Singapur nicht zu einem Vasallenstaat eines Akteurs der Region wird, sich verteidigen kann und eine lebendige Wirtschaft bewahrt. Der Insel- und Stadtstaat wolle jedermanns Freund und niemandes Feind sein, sehe sich als ehrlicher Makler und unterstütze daher Pekings BRI. Die Initiative sei eher Chance denn Herausforderung: Die Abwicklung von 33 Prozent der BRI-Investitionen aus China und 85 Prozent der BRI-Investitionen nach China erfolge über Singapur, das bis 2040 über den weltweit größten vollautomatisierten Hafen verfügen will.
Die anschließende Diskussion mit den vier Referenten thematisierte unter anderem die deutschen Optionen in der Indo-Pazifik-Region – und knüpfte damit an die Konferenz „Security Aspects on the Indo-Pacific Region“ an. Veranstaltet vom GIDS und dem Lehrgang Generalstabs-/ Admiralstabsdienst International, hatte sie im Dezember 2022 Alumni der Akademie, Lehrgangsteilnehmer sowie weitere ausgewählte Experten zusammengeführt.
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GIDSnews I 15. Mai 2023 I Autoren: Christoph Weigmann und Mario Assmann I Fotos: Bundeswehr