Vor etwas mehr als 100 Tagen hat er das Kommando an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg übernommen: Konteradmiral Ralf Kuchler. Welche Themen haben ihn in dieser Zeit bewegt? Inwiefern sieht er Potenzial für Veränderungen? Wie sieht die höchste militärische Ausbildungsstätte in Deutschland zukünftig aus? Diese und weitere Fragen beantwortet er im Interview.

Als Sie am 31. August dieses Jahres das Kommando an der Führungsakademie der Bundeswehr übernommen haben, hat Ihnen der Generalinspekteur, General Carsten Breuer, etwas in das „Lastenheft“ geschrieben: „Wir müssen gewinnen können und gewinnen wollen.“ Er sprach davon, dass eine „Gedankenwende in unseren Köpfen“ erforderlich sei. Wie wollen Sie dieses Thema an der höchsten Ausbildungsstätte der Bundeswehr in Deutschland angehen?

Für mich hat die Zeitenwende, über die der Generalinspekteur sprach, neben der materiellen und personellen, vor allem auch eine mentale Dimension. Das bedeutet, dass wir als militärische Führer wieder „präsenter“, entscheidungsfreudiger sein müssen. Wir haben uns in den vergangenen Jahrzehnten zu stark – ohne Zweifel auch dem tiefen Frieden geschuldet – angewöhnt, Entscheidungsprozesse auf viele Ebenen zu heben. Dies führte zu einer regelmäßigen Verwässerung von Entscheidungsentwürfen, mit dem vereinzelten Ergebnis, dass am Ende von der ersten Absicht wenig blieb oder gar keine Entscheidung getroffen wurde. Das frustriert und ist zudem oft nicht sachgerecht. Gerade in einer Krise und im Krieg werden schnelle und klare Entscheidungen benötigt und zwar dort, wo sie getroffen werden können. Um wieder kriegstüchtig zu werden, bedarf es der Entscheidungsfreude; der Fähigkeit, für Entscheidungen einzustehen, aber auch das Team, das man führt, zu nutzen und vor allem machen zu lassen. Den Mut und die Kompetenz zu besitzen, das auf den entsprechenden Ebenen zu tun, ist Aufgabe unserer Ausbildung hier in Hamburg. Es auf den höheren Ebenen auch auszuhalten, ohne direkt Einfluss nehmen zu wollen, ist Aufgabe von uns allen, vor allem auf den höheren Ebenen. Kurz: Wir müssen den Geist der Auftragstaktik wieder mit Leben füllen.

Welches „Mindset“ sollen die Angehörigen der Führungsakademie als auch die Lehrgangsteilnehmenden haben, um die Zeitenwende mitgestalten zu können?

Wir überarbeiten gerade die Ausbildungslandkarte des Lehrgangs Generalstabs-/Admiralstabsdienstes National (LGAN). Sie ist intern schon weitestgehend abgestimmt. Im Wesentlichen wollen wir Ausbildungsbedingungen schaffen, die unsere Lehrgangsteilnehmenden in die Situation versetzen oder quasi zwingen, eindeutige Entscheidungen zu treffen. Sobald sie eine getroffen haben, werden sie einen Erfolg verspüren. Wenn keine Entscheidung getroffen wird, werden die Konsequenzen der Nichtentscheidung auch unmittelbar in der Übungslage erfahren werden. Das heißt, wir wollen Übungsszenarien schaffen, die dem Lehrgangsteilnehmenden sehr transparent vor Augen führen, dass es sich lohnt, Entscheidungen zu fällen, auch wenn es am Ende vielleicht eine falsche Entscheidung war. Ziel soll die Erkenntnis sein, dass das Handeln des Einzelnen und des Teams, sich gelohnt hat, weil die Arbeit fortgesetzt werden konnte, wodurch am Ende wiederum Handlungssicherheit für alle entsteht. Dabei sollen die Lehrgangsteilnehmenden auch zu dem Punkt kommen, dass gegebenfalls ein anderer Weg zweckmäßiger gewesen wäre. Der Lernerfolg ist dabei nachhaltiger als bei einem unmittelbaren und ständigen Eingriff durch die Ausbilder. 

Ich möchte zudem, dass wir diese Akademie intern und extern zunehmend als Think-Tank begreifen. Als Ort, an dem enormes geistiges Potenzial existiert, das jenseits der Ausbildung für den „laufenden Betrieb“ der Bundeswehr genutzt werden kann und sollte.

Der intensive Austausch des Generalinspekteurs mit dem LGAN zu den Verteidigungspolitische Richtlinien ist dafür ein hervorragendes Beispiel. Solche kurzfristigen, konzentrierten Aufträge an die Führungsakademie sind gewinnbringend für den Generalinspekteur und das BMVgBundesministerium der Verteidigung und sie sind höchstmotivierend für die Lehrgangsteilnehmenden. In diesem Verständnis werden wir kritisch überprüfen, ob in der Zukunft eine Studienphase, dessen Thema zwei Jahre vorher festgelegt wird, die richtige Antwort auf die Zeitenwende und praxisorientierte Ausbildung ist. Hier sitzen pro LGAN etwa 120 sehr kluge und kritische Köpfe, die in sehr kurzer Zeit wertvolle Ideen und Ansätze entwickeln.  


Konteradmiral Ralf Kuchler steht auf der Bühne, daneben sitzt der Verteidigungsminister

Reiner Frontalunterricht ist nicht mehr zeitgemäß – die Ausbildung soll hybrider und interaktiver werden. Zudem werden sich die Lernfelder verändern, so Admiral Kuchler

Bundeswehr/Christian Gelhausen

Sie sprachen gerade davon, dass die Lehrgangsteilnehmenden eine Entscheidung treffen sollen, auch wenn diese ggf. falsch ist. Das bedingt eine Fehlerkultur. Inwiefern ist diese Ihrer Meinung nach schon in der Bundeswehr vorhanden?

Die ist sicherlich in der Bundeswehr vorhanden, gegebenenfalls an unterschiedlichen Stellen mit unterschiedlicher Ausprägung, aber sie ist vorhanden. Wir sollten das nicht ausschließlich isoliert als Fehlerkultur betrachten, sondern in Verbindung mit dem Prinzip der Auftragstaktik. Dazu gehört, dass ich zwar das Ziel, nicht aber den Weg vorgebe. Wird das erreicht, werden auf dem Weg dorthin nicht zwangsläufig Fehler gemacht, sondern andere Wege eingeschlagen. Der Ehrlichkeit halber muss man aber auch gestehen, dass wir die Auftragstaktik in den letzten Jahren nicht in dem Maße gelebt haben, wie wir sie selber anpreisen.

Und damit schließt sich der Kreis zur Fehlerkultur: Nicht sofort eingreifen und unmittelbar sanktionieren, wenn der erste Eindruck nicht dem gewünschten entspricht, sondern erst einmal die als Team erbrachte Leistung in den Vordergrund stellen und gutheißen. Korrigierend unterstützen bleibt davon unbenommen.

Ihr Vorgänger, Generalmajor Oliver Kohl, sprach bei der Übergabe von einer „Mammutaufgabe“. Die Führungsakademie der Bundeswehr befindet sich bereits im Wandel – auf dem Weg zu einer digitalen Ausbildungsakademie. Er gab Ihnen mit auf den Weg, die Lernfelder genauer zu überprüfen. Inwiefern haben Sie dies schon getan und was haben Sie dabei für Erkenntnisse gewonnen? 

Wir haben in der Vergangenheit festgestellt, dass insbesondere der LGAN sehr viele Elemente beziehungsweise Module hat. Jedes Modul für sich gesehen, besitzt natürlich eine Relevanz. Was aber aufgefallen ist: Der rote Faden durch die zweijährige Ausbildung muss wieder stärker gezogen werden. Dies bedeutete eine Überprüfung der zeitlichen Abfolge sowie eine sinnvolle thematische wie inhaltliche Abstimmung der einzelnen Module. Aus dieser Neugruppierung der Elemente lassen sich wiederum die übergeordneten Lernfelder generieren. Diese Lernfelder fassen wir dann in der neugestalteten Ausbildungslandkarte zusammen, so dass den Lehrgangsteilnehmenden folgende Themenfelder vermittelt werden: 

  • „Die Welt verstehen“, 

  • „Die Bundeswehr verstehen“, 

  • „Den einzelnen Organisationsbereich oder die einzelne Teilstreitkraft verstehen“, 

  • „Das internationale Umfeld verstehen.“

Welche Themen haben Sie in den ersten Monaten noch bewegt und warum?

Eines der großen Felder, die wir mit Hochdruck verfolgen, ist die Digitalisierung unserer Akademie. Wir wollen insgesamt mit der Ausbildung im 21. Jahrhundert ankommen. Der klassische, ganztägige Frontalunterricht ist nicht mehr zeitgemäß. Wir wollen eine moderne, attraktive Ausbildungslandschaft – zweckmäßig in Hybridform – anbieten. Präsenz ist dabei nicht immer das Maß aller Dinge, allerdings gibt es natürlich auch Elemente, die nur in Präsenz ausgebildet werden können. Eine moderne digitale Infrastruktur ermöglicht uns dabei eine ganz andere Reichweite, die dann nicht mehr zwingend nur durch Reisen realisiert werden muss. 

Was fällt Ihnen spontan für ein Erlebnis ein, wenn Sie an Ihre Ausbildung zurückdenken? 

Ich erinnere mich noch sehr intensiv an die Schlussphase. Wir saßen in den Modulen im Manfred-Wörner-Zentrum bei einer streitkräftegemeinsamen Übung. Der gesamte Lehrgang war in zwei Gruppen geteilt. Ich war der Chef des Stabes der einen Gruppe, und das waren zwei höchstintensive Wochen, die frühmorgens um 7:30 Uhr begannen und in der Regel abends um 22:00 Uhr endeten. Was auf der einen Seite dazu führte, dass ich nach zwei Wochen nicht mehr ganz genau wusste, in welcher Welt ich eigentlich lebe, weil ich so tief in die Übung eingetaucht war, dass das für mich schon die Realität war. Auf der anderen Seite habe ich in der Zeit eine enorme Kameradschaft erlebt und zum ersten Mal begriffen, was ,Streitkräfte-Gemeinsamkeit‘ bedeutet. Das war der erste intensive Berührungspunkt mit den anderen Dimensionen in meiner Laufbahn bei der Bundeswehr, die ich als sehr gewinnbringend empfunden habe.  

Bei mir war das ein rein militärischer Lehrgang. Ich finde es ausgesprochen begrüßenswert, dass es meinem Vorgänger gelungen ist, zivile Lehrgangsteilnehmerinnen und Lehrgangsteilnehmer in die Ausbildung zu integrieren. Das sollten wir forcieren. Denn nur mit einem Verständnis für- und miteinander kann der Auftrag effektiver und effizienter erfüllt werden. Dazu müssen wir der zivilen Seite in der Bundeswehr aber auch ermöglichen, zu verstehen, was die Belange und die Notwendigkeit militärischer Planungs- und Führungsprozesse sind. Daher ist nichts naheliegender, als diese Integration in die Ausbildung weiter fortzuführen.

Konteradmiral Ralf Kuchler befördert einen Lehrgangsteilnehmer

Vor 20 Jahren war er selbst Lehrgangsteilnehmer an der Führungsakademie der Bundeswehr, heute ist er ihr Kommandeur

Bundeswehr/Christian Gelhausen

Sie sprachen bei der Verabschiedung als auch bei der Begrüßung des neuen Lehrgangs Generalstabs-/Admiralstabsdienst National von zwei Standbeinen – der Kameradschaft auf der einen Seite und den Freunden und der Familie auf der anderen Seite. Inwiefern haben Sie selbst bereits schon einmal gemerkt, wie wichtig diese für die Ausübung des Soldatenberufes sind? 

Das Standbein der Kameradschaft habe ich intensiv erlebt. In den verschiedenen Verwendungen nach dem Abschluss des LGAN – sei es als Referent im Ministerium, oder auch irgendwo im Stab – müssen Aufträge abgearbeitet werden. Dabei gibt es viele Elemente, die außerhalb des eigenen Verantwortungsbereiches liegen. Die Tatsache, dass ich mich hier mit knapp 120 anderen Lehrgangsteilnehmerinnen und Lehrgangsteilnehmern befand, von denen ich wusste, wo sie jetzt ihren Dienst tun, hat mir automatisch ein Netzwerk eröffnet. Ich hatte also eine Ansprechstelle bei dem einen oder anderen Vorgang und bekam einen Hinweis, wer denn zuständig ist oder wie ich weiter vorgehen könnte. 

Die Familie ist das zweite Standbein. Aus ihr schöpft man neue Kraft für den Beruf, für sie dient man, sie in der Gesamtheit sind es, für die wir kämpfen. Durch viele Versetzungen wurde ich, was mein Privatleben anbelangt, regelmäßig entwurzelt. Und wenn ich mit Familie umgezogen bin, dann wurde ich erstens selbst entwurzelt, und zweitens die Familie. Die hat es im Grunde genommen regelmäßig viel schwerer, weil sie sich entweder zeitweilig mit dem fehlenden Part organisieren, oder wieder in allen „Dimensionen“ richtig einleben muss, während man selbst im dienstlichen Alltag schnell aufgefangen wird. Diese Unterstützung kann man gar nicht hoch genug schätzen. Familie, egal wie sie aussieht, ist das „Center of gravity“ eines jeden Soldaten.

1989 sind Sie in die Bundeswehr eingetreten und absolvierten die Offizierausbildung auf dem Segelschulschiff „Gorch Fock“. Warum wollten Sie zur Bundeswehr? 

Ich habe sehr früh gespürt, dass ich einer Aufgabe nachgehen möchte, die nicht nur dem reinen Broterwerb dient, sondern die auch der Gesellschaft zweckdienlich ist. Meine familiäre Prägung und das gesteigerte Interesse für Sicherheitspolitik hat recht schnell dazu geführt, dass ich überzeugt war von dem Grundgedanken, Soldat zu werden, um einen Krieg zu verhindern. Ich bin nach wie vor überzeugt davon, dass dieses Grundprinzip ,Kämpfen können, um nicht kämpfen zu müssen‘ Gültigkeit besitzt, weil nur eine wehrhafte Demokratie dem möglichen Gegner signalisiert: „Ich muss mir sehr genau überlegen, ob ich diesen Schritt gehe.“ Opportunitätskostenrechnung – sie gilt in vielen Bereichen des Wettbewerbs, im guten wie im schlechten.

Es folgten unter anderem verschiedene Verwendungen vom U-Boot-Jagdoffizier, Brückenwachoffizier bei einem Austauschprogramm in den Niederlanden über Referententätigkeiten bis hin zum Kommandeur der Einsatzflottille 2 und zuletzt Büroleiter des Generalinspekteurs. Welche Verwendung hat Sie besonders geprägt und warum?

Das Austauschprogramm in den Niederlanden hat mich bis heute stark geprägt. Denn die niederländische Marine hat mir vor Augen geführt, wie in einer militärischen Organisation auch geführt werden kann und man dabei zu gleich guten, vereinzelt sogar besseren Ergebnissen kommt. Ich fuhr an Bord einer niederländischen Fregatte in die Gefechtsausbildung nach England und war dafür verantwortlich, eine Luftverteidigungsübung anzulegen. Nachdem ich das auf Papier finalisiert hatte und das Fernschreiben im Verband verschickt werden sollte, bin ich zum Kommandanten auf die Brücke gegangen, um es mir billigen zu lassen. Mit einem Augenzwinkern bekam ich die Antwort, warum er denn das jetzt billigen solle. Dafür hätte er doch mich als Luftverteidigungsoffizier. Wenn er das selber machen müsste, dann bräuchte er ja mich eigentlich nicht. Dieses Beispiel an Arbeitsteilung und Auftragstaktik hat großen Eindruck auf mich ausgeübt. 

Die zweite stark prägende Zeit war die Kommandantenzeit. Ich glaube, es gibt nichts Schöneres für einen Offizier,  der sich für die Seefahrtslaufbahn entscheidet, als ein Schiff zu führen. Ich stellte immer wieder fest, egal wie viele Probleme es im Hafen gab und welche Unzulänglichkeiten bei Instandsetzungen oder sonst wo existierten, sobald die Leinen los waren, war die Stimmungslage eine andere an Bord, nämlich eine hervorragende und viele Probleme lösten sich in Luft auf. Es macht einfach enorm Spaß. Sechs Monate auf einem Schiff in See: ein „Miniaturland“,  inklusive aller Herausforderungen, die auch auf diesem Globus existieren und als verantwortlicher Kommandant ist man nicht nur der militärische Vorgesetzte und Schiffsführer, sondern auch der große Bruder, das böse und das gute Amt und, falls kein Militärseelsorger an Bord ist, auch geistlicher, zumindest aber seelischer Beistand. Ich hatte in weiten Teilen meiner Seefahrten im Übrigen einen militärischen Seelsorger an Bord und halte das für unverzichtbar wertvoll in unseren Streitkräften.   

Ja und die dritte sehr prägende Zeit war die als Büroleiter des Generalinspekteurs. Denn dort war ich praktisch der nächste, in jedem Fall erste Berater des Generalinspekteurs. Ich hatte dabei Einblick in zahlreiche politische und militärische Entscheidungsprozesse, weil ich bei nahezu allen vorbereitenden und den meisten abschließenden Gesprächen zugegen war. Ich war in allen Verteidigungsausschusssitzungen des Deutschen Bundestages und lernte, wie diese Republik, zumindest in Verteidigungsfragen funktioniert. Ich bekam einen tiefen Einblick in die Bundeswehr, vor allem in die Streitkräfte, denn alle Vorgänge, die in irgendeiner Form an den Generalinspekteur gehen, landen natürlich „in jeder Form“ auch auf dem Tisch seines Büroleiters. Das ermöglichte mir einen weiten Überblick und Verständnis dafür, wie unsere Bundeswehr funktioniert und in die Demokratie eingebettet ist.

Der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Carsten Breuer, übergibt die Truppenfahne an den Flottillenadmiral Ralf Kuchler

Bei der Kommandoübergabe: Flottillenadmiral Ralf Kuchler (rechts) bekommt die Truppenfahne vom Generalinspekteur der Bundeswehr, General Carsten Breuer, überreicht

Bundeswehr/Sandra Herholt

Wenn Sie heute einen Ausblick wagen – wie sollte die Führungsakademie der Bundeswehr in der Zukunft sein?

Die Führungsakademie der Zukunft wird stellenweise ergänzt, inhaltlich fortgeführt und modernisiert, um die Elemente über die wir bereits gesprochen haben. Sie wird in Kürze um ein weiteres Element ergänzt: eine vollausgestattete Fakultät Gesamtstaatliche Risikovorsorge. Ich wünsche mir und das ist meine feste Absicht, dass diese Fakultät, die mit einem hervorragenden Leiter im Aufbau befindlich ist, nicht rein bundeswehrintern, sondern ressortübergreifend besetzt und betrieben wird. Wenn wir gesamtstaatliche Risikovorsorge glaubwürdig und gesamtgesellschaftlich verstehen, entwickeln und lehren wollen, dann müssen in dieser Fakultät auch Vertreter von anderen Ressorts, wie dem Innenministerium, Außenministerium, Justizministerium oder Wirtschaftsministerium vertreten sein. Denn nur dann kann es wirklich zu einer gesamtstaatlichen Perspektive kommen. Das ist im Übrigen der Grundgedanke, der unserem Verständnis von Kriegstüchtigkeit zugrunde liegt: die Fähigkeit und der Wille, gesamtstaatlich wehrhaft und verteidigungsbereit zu sein, in allen Facetten, Politik- und Lebensbereichen. Partikulare Interessen treten dabei in den Hintergrund.

Gibt es etwas, dass Sie den Angehörigen der Führungsakademie der Bundeswehr als auch den Lehrgangsteilnehmenden noch abschließend mit auf dem Weg geben möchten?

Ich habe in diesen ersten 100 Tagen an zahlreichen Stellen dieser Akademie ein hohes Maß an fachlicher Expertise erlebt, an hoher Motivation. Bei uns arbeiten hervorragende Menschen, mit viel Herzblut. Deshalb mein Appell: Lassen Sie mit dieser Professionalität und in dieser Motivation nicht nach! Wir haben einen Weg der Anpassung vor uns, den gehen wir aber gemeinsam und das schaffen wir auch nur als Team. Und dabei müssen wir immer im Auge behalten, dass Veränderungen zu einer modernen Akademie gehören. Die Antwort kann und darf nicht sein, dass das, was vor zehn Jahren Gültigkeit und Bestand hatte, heute auch noch die richtige Antwort liefert. Das heißt, wir müssen das Prinzip, das wir den Lehrgangsteilnehmenden vermitteln wollen, die Bereitschaft zum lebenslangen Lernen, auch selbst verinnerlichen. Vertrautes ist nicht per se veraltet oder schlecht, aber manches davon muss fortgeschrieben und angepasst werden. Dieses Grundverständnis muss uns eigen sein, wenn wir auf neue Herausforderungen die richtigen Antworten geben wollen.

Interview von Sophie Düsing